Reden und Ansprachen

 

 

 

20 Jahre Matura an der BBAKIP

 

Schon früher hielt ich die eine oder andere launige Ansprache, heute aber ist das Thema zu ernst. Das Thema  ist nämlich die Zeit.

Wie soll man sich dem Thema Zeit nähern? – Von hinten geht es nicht…die Z. entschwindet in die Zukunft; von vorne – bringt auch nichts, denn-siehe Dopplereffekt – Blauverschiebung – die Zeit wird kürzer, und wir haben doch noch so viel zu tun. Also von der Seite: wir sehen ein Kontinuum, und mitten drin – zack! – das Jahr 1990!

 

Laut Einstein war die Welt am Anfang wüst und leer. Laut Wittgenstein kann nur etwas eine Eigenschaft haben, was der Fall ist, also existiert. Wüst und leer sind eindeutig Eigenschaften, also hat die Welt am Anfang eindeutig existiert. Das wäre also bewiesen, wir können fortfahren:

 

Also Thema Zeit:

20 Jahre sind keine Zeit, sagt man – die durchaus rüstigen junge Damen im Saal beweisen es - was war 1990: Sam Nujoma war Präsident von Namibia, das war nicht ohne Bedeutung für die Wiedervereinigung Deutschlands.

 

1990: Niescher Bürgermeister, Landeshauptmann A.Partl, F. Vranitzky Bundeskanzler, K.Waldheim B.präsident

 

Eine Gleitsichtbrille kostete damals bei einem Optiker in Innsbruck 2250 Schilling, bei Hartlauer hingegen nur 820.-  (wir lernen daraus vor allem eines: dass die Werbung auch in zwanzig Jahren nicht besser geworden ist).

 

Um das Jahr 1990 in seiner ganzen Tragweite zu verstehen, müssen wir von 1990 weiter zurückreisen in der Zeit, angenommen ….5000 Jahre, so landen wir…?

 

3010 v.Chr.: Damals herrschte in Ägypten König Djer, 1.Dynastie, verheiratet mit Memeith, baute bekanntlich drei eher unbedeutende Kleinpyramiden, begründete eine neue Zeitrechnung nach dem Halbmondkalender, der das Jahr in 24 Halbmonate zu 62 Halbtagen einteilte. Führte zu nichts, Djer geriet samt Gattin, Kleinpyramiden und Kalender in Vergessenheit – ich komme später (Uhr) wieder darauf zurück!

Jedenfalls: die Welt war übersichtlich!

 

Australien, Neuseeland, Amerika und Antarktis existierten ganz einfach nicht (auch wenn uns die Ureinwohner dieser Kontinente hartnäckig das Gegenteil weismachen wollen!). Die Ureinwohner der Antarktis, die Pinguine, haben sich allerdings diesbezüglich noch nicht geäußert.

Das ganze Universum war übersichtlich: da draußen war spätestens beim Saturn Schluss! Uranus, Neptun und Pluto waren nicht vorhanden– ganz zu schweigen von irgendwelchen Transplutos und anderem kosmischen Gerümpel.

Um überhaupt zu schweigen von Multiversum-Theorien und Paralleluniversen.

 

Hand auf’s Herz: wer hat innerhalb d. letzten 24 h gesungen: „Weißt du, wieviel Sternlein stehen?“

Eben! – Würde heute niemand mehr wagen, zu schreiben. Damals ging das noch. „-weißt du, wieviel- „ und einer antwortet, „ja, ungefähr…“ (vielleicht hat er auch die eine oder andere Supernova mitgezählt, aber bitte).

 

Lange blieb es aber nicht so, wie wir wissen, der Mensch gibt keine Ruhe und forscht herum und schnüffelt und tut, und –schon ist wieder ein Kontinent entdeckt oder irgendein hässliches missing link am Schopf aus dem Morast des Unwissens gezogen.

 

Was aber ist die Folge? …

 

In kürzester Zeit vermehrt sich das Wissen – (zuerst linear, dann exponentiell). Wolf-Haas-LeserInnen wissen es: „Jetzt ist schon wieder was passiert!“ …obwohl natürlich auch gleichzeitig wieder vieles in Vergessenheit gerät – wie König Djer samt Gattin, Kleinpyramiden und Kalender.

 

Ich habe bereits im Jahre 1983 in meiner Publikation „An unnessecary investigation on preliminary research concerning outstanding interrogation marks in non-omphalocentric historical reviews“ (den ausführlichen abstract möchte ich aus Zeitgründen heute weglassen) - die Formel aufgestellt: +1 neuer Planet = - 1 altägyptischer Pharao.

 

Wenn Sie möchten, können Sie sich das als das Meliss’sche Wissenszuwachsquantum notieren.

 

q wz / ( p = - φ)              (Tafel)

 

So weit, so gut. Eines muss uns jedoch klar sein: dass irgendwann dieser Wis-senszuwachs kanalisiert werden musste. Die Folge war die Herausbildung des Regelschulwesens. Zwei Namen verbinden sich im deutschsprachigen Raum damit: Friedrich II von Preußen und Maria Theresia von Österreich, bekanntlich Geschwister im aufklärerischen Geiste, aber Konkurrenten um die Vorherrschaft in Mitteleuropa. Was geschah ? Friedrich wollte M.Th., wie so oft, eins auswi-schen und führte alsbald für preußische Volksschulkinder den numerus clausus ein.

Das Ergebnis ist bekannt: ein Strom preußischer numerus-clausus-Flüchtlinge im Alter zwischen 6 und 14 Jahren strömt in die Habsburgermonarchie und droht deren Volksschulen zu überschwemmen. Das führt aber alsbald zur Ausbildung eines hochentwickelten Hortwesens in Österreich (incl.Böhmen, Mähren, Schlesien, Krain, Ungarn, Siebenbürgen usf.)

 

Bald hieß es: am österreichischen Hortwesen soll die Welt genesen.

Das Wissen vermehrte sich aber weiter, gemäß meiner Formel  (p = -φ). Schier pausenlos hieß es: jetzt ist schon wieder was passiert! (Übrigens hat schon Karl Valentin festgestellt, dass eigenartigerweise jeden Tag genau soviel passiert, wie in der Zeitung Platz hat).

Nun zurück zum Hort: das pädagogische Personal für die vielen Hortkinder wuchs auch unter Maria Theresia nicht auf den Bäumen, sondern in sogenannten Bildungsanstalten, die Sie hiemit als gegründet ansehen dürfen.

 

Es lässt sich leicht ausrechnen, dass Friedrich II.auch jetzt noch lange keine Ruhe gab. Er brauchte vor allem Soldaten, „Lange Kerls“ (Flachland, Nebel…“Langer Kerl“ hat anderen Überblick als kurzer Kerl). Maria Theresia hingegen dachte längerfristig ( heute: nachhaltiger): wenn, so ihre Überlegung, die Kinder nicht erst mit 6 Jahren, sondern schon viel früher in geordnete Erziehungs-und Bildungsinstitutionen kämen, dann, so M.Th., könnte man den Kindern ja schon von klein auf das spezifisch habsburgische Idiom angewöhnen, auf dass sie von keinem Preußen mehr verstanden würden und auf alle Zeiten für die preußische Armee unbrauchbar gemacht wären. Und…?

 

Den nächsten Krieg gegen Preußen verlor Österreich.

 

Die Idee des Kindergartens war jedoch geboren. Die Bildungsanstalten für Hortpädagogik wurden erweitert um die Kindergartenpädagogik, Fröbel, Pestalozzi und Montessori wurden eingebürgert, 1985 wurde die erste Maturaklasse an der BBAKIP aufgenommen, 1990 legten die (damals ausschließlich) Schülerinnen die Reife-u.Diplomprüfung erfolg-reich ab. Friedrich II. von Preußen trat daraufhin zurück, der Wiedervereinigung Deutschlands stand nichts mehr im We-ge, Pharao Djer samt Gattin, Kleinpyramiden und Kalender wurde rehabilitiert, sodass bereits 1996 die erste Rechtschreibreform unter Dir.HR Dr.Werner Auer erfolgreich durchgeführt werden konnte.

Die Maturazeitung von 1990 beweist außerdem, dass damals bereits der Computer nach Mitteleuropa vorgedrungen war und auch brauchbare Drucker. Allerdings SW – Farbe noch zu teuer, heute wird Herstellung von Maturazeitungen ohnehin fast ausnahmslos nach China ausgelagert. (Zitate?)

Allen Schülerinnen und Schülern, die in den kommenden Jahren nach dem Vorbild dieser ersten Maturaklasse die Reifeprüfung ablegen werden, möchte ich vor allem eines ans Herz legen und ins Leben mitgeben:

 

q wz / ( p = - φ)              (Tafel)

 

Im Sinne der Ankurbelung der europäischen Wirtschaft sowie der Stärkung des Euro sollten aber Maturazeitungen künftig wieder in der EU gedruckt werden. Damit befinde ich mich durchaus auf einer Linie mit Alan Greenspan und Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Außerdem muss ich dringend ersuchen, den aus dem Verkauf der Matu-razeitungen lukrierten Gewinn nicht steuerschonend in der Schweiz zu parken, auf dass Muammar al Gaddafi von einer Aufteilung Österreichs auf die Nachbarstaaten Abstand nehmen möge.

 

Uns wäre es ja wurscht, aber für die Kärntner wäre es eine Katastrophe.

 

Ich danke Ihnen, meine Damen u.Herren, sowohl für Ihre Aufmerksamkeit als auch für die Bereitstellung Ihrer Geduld und Ihres Gehörs. Danke.

©Benno Meliss 2010

 

 

 

 

Annipliessnig11

 

Vom Wesen und Wirken des karantanischen Menschen, exemplifiziert am Beispiel der Frau Anni Pliessnig im Besonderen

 

(01-10-11)

 

„Dort wo Tirol an Salzburg grenzt…“, so beginnt seltsamerweise die Kärntner Landeshymne. Das Nicht-einmal-Erwähnen des Landesnamens im offiziellen Landeslobpreis berührt eigen-artig – offenbart es doch ein Understatement im kärntnerischen Wesen, das für den aufmerk-samen Beobachter auch in weiteren Details zu Tage tritt. Wer hat sich nicht schon insgeheim über den elegisch-besinnlichen Grundton der Kärntnerlieder gewundert, der doch in offen-sichtlichem Gegensatz zum frohsinnigen Verhalten dieses südlichen Alpenvolkes steht? Man hat dies oft mit dem slawischen Einschlag zu erklären versucht, der angeblich melancholi-schen Charakters wäre. Dies ist jedoch ein Topfen, denn das Tiroler Liedgut ist von demon-strativer Lustigkeit, ganz im Widerspruch zum kunstvoll gepflegten Grant der Bewohner.

 

 

 

Wie dem auch sei, Tatsache ist, dass es nunmehr in Kärnten zweisprachige Ortstafeln gibt, was verständlicherweise zu Verwirrung und Desorientierung, schlimmstenfalls zu handfesten Konflikten führen kann. Die salomonische Lösung besteht in der Verwendung einer dritten, neutralen Sprache, nämlich des Englischen. Anni Pliessnig hat sich weitblickend bereits früh für diesen Weg entschieden, und sie hat gut daran getan: der Ortstafelstreit hat sich mittlerweile beruhigt.

 

 

 

Nach dieser Tat zog es Anni nach Tirol, wo es galt, auf vielfache Weise missionarisch-segensreich zu wirken.

 

(Anm.: wie sehr das Englische in Kärnten inzwischen verwurzelt ist, möge an einem Beispiel belegt werden: der Ortsname Villach leitet sich eindeutig von „village“ her, weshalb die Villacher hartnäckig anlässlich der jährlich zelebrierten Faschingssitzungen betonen, dass sie Städter sind und keine Dörfler)

 

 

 

Wie gesagt, Anni besiedelte große Teile Nordtirols, zuerst Kematen, dann Ranggen, noch genauer, Itzlranggen und widmete sich, entgegen dem britischen Wahlspruch „no sports!“ der Leibeserziehung, später genannt Bewegung und Sport, und zwar so ausgiebig, dass sie sehr bald von ihren SchülerInnen den Spitznamen „Wirbelwind“ verliehen bekam.

 

Wir sehen also:

 

Anni and twister

 

san wie Geschwister.

 

 

 

Von unzähligen Schikursen, Sportwochen, Schullandwochen, Volleyballturnieren, Schwimm-prüfungen usw.muss ich schweigen, denn schon folgt der nächste Satz. Dieser lautet: wie ist dieses Pensum an Geschwindigkeit und Aktivitäten zu schaffen?

 

Und jetzt aufgepasst:

 

 

 

Anni fuhr beinahe täglich mit dem Rad zuerst von Kematen, später von Itzlranggen, nach Innsbruck, bestieg dort den 1., später sogar den 4. Stock, und legte inner- und außerhalb des Hauses Haspingerstr.5 erkleckliche Wege zurück.

 

Es ergibt sich also folgende Berechnung:

 

 

 

Anfahrt + Heimfahrt: (K+I)½ ·2

Auf-u.Abstieg Konf.z. ·2

Sonstige Wege

Zwischensumme

 

Toilette

 

Wochenhöhenmeter (· 5)

Jahreshöhenmeter (· 43)

Lebensdienstzeithöhenmeter (· 35)

 

300

Hm

40

 

60

 

380

Hm

 

 

4

 

384

 

1920

WHm

82.560

JHm

2,889.600

LDHm

 

 

 

 

Berechnen wir für jeden Hm 1€ Höhenmeterzuschlag, so sehen wir, dass sich zumindest der heutige Brunch locker ausgeht. Anni, wir machen uns um deine Zukunft keine Sorgen!

 

 

 

Now, after this economical treatise, it’s time to talk about better conditions:

 

Aus der ungeheuren Zahl allein der LDHm ist ersichtlich, dass Annis Kondition beispiellos sein muss: ihre Leistung würde genügen, 355,4 mal den K2 zu ersteigen; da leuchtet uns natürlich ein, dass die Besteigung des Kilimandscharo für sie nur ein besserer Wandertag gewesen sein muss.

 

Nun kommt aber ein weiterer Faktor ins Spiel: die Schularbeiten- u.Hausübungshefte.

 

Berechnen wir für ein durchschnittliches Schularbeitenpaket 5 kg, kommen wir über die Jahre auf ein Gewicht von 3,65 t, ein Gewicht, das selbst Gerlinde Kaltenbrunner im Verein mit Reinhold Messner nie und nimmer auf den K2 zu schleppen imstande wären, geschweige denn 355,4 mal!

 

 

 

Wir kommen somit unter Berücksichtigung des tCl-Faktors (=zu transportierende Correctur-Last) auf eine Kilometerleistung von ca.200.000 kW, d.entspricht der Leistung von 30 Tau-rus-Loks bzw. 3 Titanic-Maschinensätzen oder 2 russischen Eisbrechern.

 

 

 

Mit solchen Energiebündeln ist dieser Staat nicht zu regieren!

 

 

 

Daher: solche Menschen muss man einfach in die Pension schicken, bevor die Energiemenge unberechenbar wird, …auch wenn sie sich noch so dagegen wehren.

 

 

 

Wir haben oben berechnet, dass 1 Kärntner Turn-u.Englisch-Lehrerin der Leistung von 2 Eis-brechern der Arktika-Klasse entspricht; analog dazu stellt sich das Bremsverhalten dar: um aus voller Fahrt zum Stillstand zu kommen, benötigt ein Eisbrecher etwa 5,3 km; um Anni zur Ruhe zu bringen, sind also 10,6 km nötig, dafür reicht der Weg nach Itzlranggen immerhin aus…es besteht also berechtigte Hoffnung, dass heute nach ihrer Heimkehr tatsächlich der sogenannte Ruhestand eintritt und aus dem Twister ein lindes Lüfterl wird, das lang anhaltend viele Jahre weht.

Benno Meliss 2011

 

Christa Meixner

 

Auch, wenn wir es uns kaum vorstellen können: Christa Meixners Biografie beginnt nicht in der Haspingerstraße Nr.5, sondern ganz im Gegenteil, nämlich in Wien. Denn, so heißt es schon bei den Mystikern des Frühmittelalters: ex oriente lux, ex oriente christa. Tatsächlich wurde sie in der Stadt geboren, in der die Musik nicht nur Aufputz und Zeitvertreib, sondern konstitutiv ist, der Stadt von Mozart, Beethoven, Schubert, Brahms, Strauß, Schönberg und Pepi Novák.

 

Wer ist Pepi Novák? Dazu später.

 

Im Jahr 19schmstrzig, dem Geburtsjahr C.M.s, war Österreich in vier Besat-zungszonen eingeteilt: russisch – sowjetisch – kommunistisch und amerikanisch.  C.wuchs zwar in Scheibbs in NÖ auf, aber auch hier war es nicht anders, und da sie mit der stalinistisch-dialektischen Harmonik nichts zu tun haben wollte, emi-grierte sie in die Volksschule Scheibbs, blieb dort untergetaucht bis zum Staatsvertrag, tauchte in der HS wieder auf und später im musisch-pädag.Real-gymnasium, wo sie nach einigen Wochen bereits den Elternverein in den heute noch legendären „Gemischten Elternchor Scheibbs“ umfunktionierte.

 

Die Umwandlung des Lehrkörpers in einen Kammerchor wurde nur durch ihre Matura verhindert.

 

Nun gab es aber kein Halten mehr! Das Dasein C.M.s war von frühesten Tagen an von Tönen begleitet, und, wie heißt es schon im AT: wer Töne sät, wird Musik ernten.

 

Und zwar an der Hochschule für Musik in Wien, bald jedoch war dort alles Notenpapier aufgebraucht, außerdem alle Studierenden und Professoren in Chören organisiert, sodass sich Christa ein neues Feld suchte, um reiche Ernte zu halten: Salzburg! Schließlich waren hier auch Mozart, Paul Hofhaimer, Cesar Bresgen und Pepi Novák.

 

Außerdem wollte C.wissen, warum Beethoven so wenige Schubert-Lieder ge-schrieben hat, deshalb studierte sie auch Geschichte, was Bruno Kreisky später zu dem Bonmot inspirierte:“Lernen Sie Geschichte!“ Josef Klaus wagte ihm nicht zu widersprechen.

 

Jetzt aber ist es Zeit für das erste musikalische Intermezzo des FEEC (Federal Elementary Education’s Choir):

 

Ist wohl / 1,2

 

Wie die geneigte Zuhörerschaft sicherlich bereits vermutet, hinterließ C.M.an der Uni Salzburg selbstverständlich einen HistorikerInnen-Chor. Dass sie dane-ben auch Germanistik, Musikwissenschaft und allerlei Instrumente belegte, wundert nur denjenigen, der das energetische Potenzial Cs nicht kennt.

 

In Salzburg trat sie ihren ersten Schuldienst an, an einer –allerdings privaten – Bildungsanstalt für Kindergärtnerinnen und Arbeitslehrerinnen. Beide Schulty-pen gibt es in dieser Form nicht mehr, sehr wohl aber CM. Geographisch öffnet sich Salzburg nach Bayern hin und ins Innviertel, alles, was süd-und südwestlich liegt, verbirgt sich jedoch hinter schroffen Gebirgswänden, weshalb es nicht ver-wundert, dass darüber, was hinter diesen Naturfortifikationen lauert, die wilde-sten Sagen und Mythen in und rund um die Festspielstadt in Umlauf sind-

 

CMs Neugier ward aber gerade dadurch angstachelt, und so brach sie an einem nebligen, frostigen Wintertag in einem Schlitten auf, um auf tief verschneiten Wegen westwärts aufzubrechen, fest entschlossen, jenes unerforschte Land jenseits des Passes Strub zu erkunden (in Salzburg hieß es nämlich damals warnend: „Kein braver Bub geht über den Pass Strub!“).

 

Nach zahlreichen Schrecken des Eises und der Finsternis hatte sich C. bis nach Schwaz , einer von rauen, struppigen Bergleuten bewohnten Siedlung im Inntal durchgekämpft. Nachdem sie ihren Schlitten hinter einem Schneehaufen des BORG geparkt hatte, gründete sie den Knappenchor Frundsberg, da sie das mu-sikalische Potenzial der Bergmänner sofort erkannte. Diese erzählten ihr von einer noch größeren Siedlung im Westen, und bald zog CM von Neuem los, um letztendlich in Innsbruck zu landen, der Stadt, wo sich zu ihrem Erstaunen mehrere namhafte Musiker im Schatten der Felswände tummelten, als da wären Erich Urbanner, Bert Breit, Josef Pembaur, Werner Pirchner und Pepi Novák.

 

Werner Auer, damals gefürsteter Graf der Vojvodschaft Haspingerstraße, erhob C. zur Generalmusikmeisterin seiner Lande und ließ ihr freie Hand, sodass nach kurzer Zeit das Regierungsgebäude in Wilten vier Klassen und fünf Chöre be-herbergte. Bevor C.nach Innsbruck gekommen war, hatte sich noch ein bedeu-tendes Ereignis in ihrem Leben abgespielt: lange schon war in Geheimverhand-lungen eine Allianz Niederösterreich-Vorarlberg zu schmieden versucht worden, um der Dominanz der roten Heurigenmusik zu begegnen; in der Verbindung C.und Walter Meixner war nun das ideale Paar gefunden worden, zumal sich gerade hier zeigt, dass die Sprache der Musik alle Grenzen zu überwinden ver-mag, sogar den Arlberg.

 

Vieles, was sich seitdem begab, ist weitum bekannt, daher ist es jetzt Zeit für ein weiteres musikal.Intermezzo:

 

Hoch in dem…1,2

 

 

 

 

TRUDE GEHT

 

Benno Meliss

 

Der unaufhaltsamen Tragödie erster Teil

 

 

 

Vorspiel auf dem Theater

 

 

Die Szene ist ein leerer Tisch, auf dem lediglich die Trude-Figur steht.

Zwei Gestalten, undeutlich als ReginA und Benno zu erkennen, unterhalten sich im Stil eines Fernsehforums

 

A:

 

 

B:

 

A:

 

 

B:

 

A:

 

B:

 

A:

 

B:

 

A:

 

 

 

B:

 

A:

 

B:

 

Wir wollen uns heute über eine Person der europäischen Kultur, insbesondere des Theaters, unterhalten…

 

Christoph Schlingensief

 

Die gesuchte Person ist weiblich…außerdem ist sie nicht nur als Regisseurin bekannt, geworden, sondern auch als Rhythmikerin…

 

Ahaaa…also Ringo Starr!

 

Sie hören mir nicht zu! Ich sagte weiblich!

 

Hmm…geben Sie mir noch einen Tipp…

 

Sie ist auch eine Meisterin der Mimik und Komik.

 

Jetzt weiß ich’s!....Louise de Funès!

 

Sagen Sie, wollen Sie mich verarschen, Sie erfolgloser Dompteur wildgewordener Synapsen? – Passen Sie auf, ich helfe Ihnen ein letztes Mal! Die fragliche Person ist eine bedeutende Didaktikerin im Bereich der Kindergarten-und Hortpädagogik…

 

Ja dann….Trude Renell!

 

Bingo!

 

Also doch einer von den Beatles. Ich hab’s  ja gleich gesagt.

 

 

 

 

 

Zwischenspiel

mit Puppen und Allerlei

 

Es treten auf: Klaus Kinski (Vertreter der Schauspielerzunft), der Weiße Hammerhai als Vertreter der ungebändigten, unrhythmischen Natur sowie der König als Über-Ich und mediatorische Instanz

 

 

Kinski

 

 

 

 

Hai

 

 

 

 

 

Kinski

 

 

 

 

Hai

 

 

 

 

 

Kinski

 

König

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

WA:

 

 

 

 

 

 

 

 

LA:

 

 

 

Ist Trude zu fassen? Ihr fasset sie nie!

Des göttlichen Feuers wirkendes Genie,

der Erde entrissen, dem Chthonischen nah,

von der Welle umspült, heilige Adria!

 

Mir scheint, der Alte spricht im Fieber!

Sehet ihr am Fensterlein

dort die weißen Haare wieder,

ei - gar rhythmisch muss es sein,

denn sie gehen auf und nieder

 

Nun siehst du, vernunftberaubte Kreatur

zum ersten Male weihevolles Wogen

und Terpsichores wohlgesetztes Walten

in rechtem Maß.

 

Wie ist mir?

Vom Missklang befreit sind Lied und Gesänge

durch der Trude milden, belebenden Blick.

die alte, unausgebildete Kehlkopfenge

zog sich vor ihr beschämt zurück

 

Da ist nichts faul im Staate Dänemark!

 

Bei Zeus und Poseidon, was soll der Lärm?

Brechen der Touristen Ströme über Hellas’ heilgen Hain

Herein?

Stören die Ruhe der friedvollen Frau in der lauen Lagune?

Von weither wagt’ sie die Fahrt aus dem eisigen Norden.

Dem Land in den Bergen entkam sie im wackligen Wagen.

Lupo, so nennt sie ihn ob seines wölfischen Wesens –

Wie Lynkaeus verschlinget er gierig Meile um Meile!

Doch nun sei genug des lyrischen Gesülzes:

Hier ist mein Glas: ich hoffe sehr, ihr füllt’s es!

 

…ja, meine Damen und Herren,

wo rohe Kräfte gar unrhythmisch walten,

wird Trude sie zum Besseren gestalten!

In diesem Sinne erkläre ich Trude Renell für eröffnet und wünsche dem Buffet weiterhin alles Gute.

 

 

Die Figuren alle ab. Sprecher stellt die Symbole Rotz &Wasser sowie Sack&Asche auf den Tisch, die Tafeln „Weinendes“ und „Lachendes Auge“ stellen sich kurz vor und werden neben der Trude-Figur aufgestellt.

 

So fahr denn wohl, du gute Haut,

wir haben nicht auf Sand gebaut.

Du hast das Feld gar wohlbestellt,

die Träne aus dem Auge schnellt –

es trieft und tröpfelt sonder Maßen,

schlecht für uns – gut für den Rasen.

Du lässest uns allein zurück

in Pater Haspingers Straßenstück.

 

Euren Schmerz versteh ich schon...

doch Trude geht nur in Pension,

die hochverdient durch Fleiß und Mühe

ihr winkt schon in der Herrgottsfrühe,

wenn sie vorm Haus mit Bangen wartet,

ob denn der Lupo nicht bald startet

O gönnt ihr diese Zeit der Muße

(auch ihrem Kreuz und ihrem Fuße!).

Von nun an ist sie wahrhaft frei!

Wir stimmen nun an die Litanei.

 

 

 

Litanei und Prozession

sowie Huldigung an Speis und Trank, so kredenzet sind.

 

Wir antworten nach jeder Anrufung: geh nicht von uns!

 

 

Du Meisterin der Mimik

Geh nicht von uns!

 

Instruktorin des Instrumentenbaus

Trösterin der Trommler

 

Enthusiastin des Entertainments

Diplomwürdige Didaktikerin

Spitzenfrau der Spielothek

Schamanin des Schauspiels

Fachfrau der Verkleidung

Muse aller Maskerade

 

Sympathieträgerin aus Simmering

Reinkarnation alles Renellischen

Trägerin des Trude-Genoms

Hortensie der Hortdidaktik

Intendantin glorwürdiger Inszenierungen

 

Quadratur der Qualität

Humus der Humanität

Mentale Mentorin der Menschlichkeit

Weißlockige Weise

Im Wohnmobil wirkende Wandersfrau

Traum aller Trudophilen

Gesandte des Gesanges

Choreographische Koryphäe

 

Du, die du erhalten hast eine Kaffeemaschine für den Lupo:

Wir bitten dich, benütze sie.

Du, die Obdach gibt dem Volke der Katzen:

Wir bitten dich, füttére sie.

Vom Schwachsinn der volkstümlichen Musik:

Trude, befreie uns!

Auf dass wir dir nachfolgen beizeiten in den Ruhestand:

Trude, denk an uns!

 

König:       So ist nun erklungen der köstliche Lobgesang auf die noch weitaus köstlichere Trude! Nun lasset uns wetzen die Messer, auf dass sie zerteilen die Würste zu unserem Wohl und zum Wohle des Günther! Gefüllt sei der Becher mit funkelndem Gesöff,

es klinge und schalle ein Jubelgesang sonder Maßen!

 

Die, die da die Didaktik gelehrt und das Tiktak wie auch die Taktik der Rhythmik: mit einem Wort: TRUDE, TRUDE, sie lebe hoch!

 

 

 

 

 

Benno Meliss 2010

 

 

 

nikola50

 

Gleiches Pech für alle!  - Dieser Grundsatz gilt ohne Ausnahme, also auch für Nikola Wallner. Wenn alle anderen sich zu besonderen Jubiläen eine Rede anhören mussten, so gilt das auch für dich.

Nikola Wallner, allgemein unter dem bürokratischen Kürzel wani unterwegs,

hält einen einmaligen Rekord im Bereich der Bildungsanstalten, denn: sie hat mit 14 Jahren, also im Jahre 1980, das Gebäude Haspingerstr.5 erstmalig betreten und seitdem nie mehr verlassen. – Außer, um hin und wieder nach Südtirol zu fahren, sowohl im Sommer als auch im Winter, auf der Nordkette mit Touren-, Alpinschi, Schneeschuh, Handschuh und Figl im Schnee zu wühlen, in Oslo, Stockholm, Amsterdam, Rotterdam, Adam und Edam und was weiß ich Unmengen von Fotos zu schießen - …. Ich frage mich schon: wann war sie eigentlich in der Schule? Mich geht’s ja nichts an.

 

Um bei der Fotografie zu bleiben: allgemein wird herumerzählt, dass im Jahr 1822 ein gewisser Herr Nicéphore Nièpce – der heißt wirklich so! – angeblich mit irgendwelchen Silberjodiden und Silberbromiden  herumgeblödelt  und dabei die Fotografie erfunden hätte. Das ist natürlich aufgelegter Unsinn.

 

Die Wahrheit ist viel dramatischer. So alt ist die Fototechnik nie und nimmer.

Alles begann in einer stürmischen Gewitternacht im Jahre 1966: ein kleines Mädchen, genau genommen ein weibliches Baby, geradezu eine Säuglingin, erblickte das Licht der Welt. Und zwar mehrfach: einmal als Licht im Kreißsaal, zweitens als Blitze durch das Fenster, drittens als Vollmond (Gewitter bei Vollmond ist ebenso selten wie eindrucksvoll), außerdem stürmten just im Augenblick von Nikolas Menschwerdung zwei Clowndoktors in den Raum und fuchtelten mit ihren grellen Taschenlampen.

 

Diese geballte Darbietung von Lichterscheinungen brannte sich unauslöschlich für alle Zeiten in wanis Netzhaut ein.

Kaum hatte Nikola die Werkreife erlangt, beschäftigte sie Tag und Nacht der Gedanke, wie man diese Lichteindrücke dauerhaft festhalten könne, denn, ir-gendwie musste das ja gehen.

 

Sie sammelte alles, was irgendwie durchsichtig war, besonders faszinierten sie geschliffene Gläser, die sie auf mannigfachste Weise übereinanderlegte und kombinierte. Durch dieses kindliche Treiben vielfach gestärkt, gelang ihr eines stürmischen Gewitterabends im Schein des Vollmondes der Zusammenbau eines Objektivs, das subjektiv gesehen für nichts gut war, aber objektiv be-trachtet für ein vierjähriges Kind ganz erstaunlich.

 

Nikola war von ihrer Bastelei so begeistert, dass sie zum Leidwesen ihrer Mutter zwei Jahre lang nur mehr Linsen aß. Zeitweise verlor sie dadurch etwas den Boden unter den Füßen. Ihr Vater war jedoch restlos begeistert, erkannte er doch das Potenzial der Entdeckung seiner Tochter.

Jahre des Tüftelns und Knobelns folgten, bis der folgenschwere Tag kam, da Nikola sich als Schülerin der BBA für Kindergärtnerinnen in der Haspingerstr.5 anmeldete, wo sie viel Nützliches lernte, und, obwohl sie einem verschrobe-nen Kunst-und Werkerzieher in die Hände fiel, in den Weiten des unterirdi-schen Werkraums ihre Erfindung optimieren konnte. Und siehe und staune: in einer stürmischen Vollmondnacht, als ein Gewitter über der BBAKIP tobte, setzte Nikola, die damals noch Sonnewend hieß (ihr merkt schon wieder den Lichtfaktor in ihrem Namen!) die letzte Linse in ihr Gerät und rief: „Heureka!“, und zwar so laut, dass die beiden Clowndoktors, die ihr Nebenjob als Wach-dienstleute in den Schulhof geführt hatte, trotz des Donners zusammenzuck-ten.

 

Wir haben soeben die Geburtsstunde der legendären NIKOLA 84, der ersten praxistauglichen Kamera der Welt, miterlebt. – Lasset uns eine Minute des Schweigens halten (wer will, kann auf’s Klo gehen, aber schnell, es geht gleich weiter!).

 

Im selben Jahr machte Nikola ihre Schlussprüfung, arbeitete im Übungskin-dergarten, wo sie Generationen von jungen FotografInnen und Clowndoktors prägte, und in einer Vollmondnacht, als gerade ein Gewitter von archaischer Gewalt über Wilten wütete, holte sie der Direktor Auer in sein Büro, das von bläulichen Blitzen erhellt war, ernannte sie zur Lehrkraft, was Nikola selbstver-ständlich auf einem Foto festhielt und somit gleich das Selfie erfand (noch Jahre vor der Digitalfotografie und dem Smartphone. Damals hielt man nämlich Smartphone für eine Filterzigarette, die Musik machen konnte).

Das Foto wurde noch jahrelang in der Direktion gezeigt. Wie allerdings die zwei Clowndoctors in den Hintergrund des Fotos kamen, weiß bis heute niemand.

 

Vor ein paar Tagen traf ich Emil Novak, den Bruder des berühmte Komponi-sten, der zum 50.Geburtstag von Nikola einen Bildband mit ihren besten Fotos herausgeben möchte. Er erzählte, dass er eigentlich schon alles beisammen habe, aber nicht recht zur Endfassung komme, weil immer, wenn er daran zu arbeiten beginne, der Vollmond aufgehe, ein Gewitter losbreche und zwei Klinikclowns ihn mit ihren Taschenlampen blendeten.

 

Benno 2016

 

 

 

 

Regina 50

 

PROLOG UND ERSTES CAPITULUM

 

Kinder, wie die Zeit vergeht! Gestern noch hat Kaiser Maximilian I. die letzten Schindeln aufs Goldene Dachl gelegt – heute schon hat Regina ihren 50. Geburts-tag.

Die Frau ist kühn! Fragt sie mich doch glatt, ob ich ihr eine Rede halte…dabei müsste sie nach so vielen gemeinsamen Schuljahren längst wissen, was dabei herauskommt. Aber gut – sie wollte es so.

 

Wir beginnen im Jahr 1867 – der Bau der Wiener Ringstraße ist gerade in vollem Gang, ich denke mir, schaun wir einmal, vielleicht ist in der Riesenbaugrube was zu finden über die Regina, und steig hinunter in den Schacht.

Und was glaubt ihr? Nichts. Eine Frau, dermaßen umtriebig und überall dabei, und auf der größten Baustelle in Österreich nicht ein Fetzelchen zu finden über sie!

Wieder oben, setz ich mich ins nächste Kaffeehaus und tu etwas, was ich norma-lerweise nicht tu: ich denke nach. Gut, denke ich also, vielleicht ist 1867 doch ein bissel zu früh…haben sie in Wien noch nichts gehört von der Regina, kann ja sein. Bevor ich mich also beim Kaiser Franz Joseph beschweren geh, mach ich noch einen Abstecher ins Leopold Museum, und da, gleich im zweiten Raum, seh ich sie schon: die goldene Regina von Klimt!

Na also. Ich frag den Erzherzog Leopold, dem gehört nämlich das Museum, was das Bild kostet. Er sagt, er kann es nicht hergeben, weil er muss es restituieren. Da hab ich gewusst, dass er schwindelt, weil das Bild war nagelneu, da war kein Riss und kein Kratzer, rein nichts, was man restituieren hätte müssen.

 

Er soll es sich behalten, sage ich und gehe zum Westbahnhof, weil ich sehe schon, in Wien ist nichts zu holen, kauf mir eine Fahrkarte ins Stubaital und zi-sche los.

Jetzt werdet ihr fragen: warum ins Stubaital? Ja – das ist so: wie ich aus dem Leo-pold-Museum herausgeh und auf den Erzherzog einen Hass hab, da lang ich in mein Sakko und zieh ein Foto heraus vom Stubaital. Jetzt bin ich ja nicht aber-gläubisch, aber weil gerade der Saturn im fünften Haus war, hab ich den Wink des Schicksals natürlich ernst genommen … und ihr werdet sehen: Gott sei Dank.  

 

Wie ich in Innsbruck ankomme, war es gerade 1966, und in der ganzen Stadt ein Riesenbahöl. Was ist denn da los?, frage ich einen Schützenhauptmann, der zufäl-lig neben mir steht. „Christlers Geburt!", sagt er, es war aber so laut, dass ich glaubte, ich habe mich verhört, außerdem war ja gar nicht Weihnachten, sondern der 3.März. Die Straßen waren beflaggt, die Wiltener Musikkapelle marschierte, der Landeshauptmann Tschiggfrey rauchte eine Zigarette nach der anderen, es war gewaltig. Ich schaute, dass ich zum Stubaitalbahnhof  kam und fuhr nach Mieders.

 

ZWEITES CAPITULUM & CURRICULUM VITAE

 

Die Nationalbibliothek von Mieders ist gewaltig, da findest du alles, sie ist gleich neben der Kirche. Ich stürze mich gleich auf die Abteilung R, und da bin ich schon mitten in der Reginalogie. Was lese ich da nicht alles: von der Geburtsur-kunde bis zu den höchsten Auszeichnungen, alles da und fein säuberlich beschrif-tet und geordnet. Jetzt versteht ihr schon, dass ich da nicht so schnell wieder hin-auszubringen bin … da ist schon einmal das Stift Wilten, wo die Regina aufge-wachsen ist. Nicht direkt, sonst wär sie ja eine Prämonstratenserin, aber gleich da-neben in dem türkisen Haus – nicht türkischen Haus: türkis! Pass vielleicht einmal auf, Mensch!

 

Da hat sie dann natürlich die Pater gesehen, und den Riesen Haymon mit dem Drachen, und da denkt sie sich: das möchte ich auch sein. Kein Drache – so ge-scheit bin ich selber – aber mit der Kirche will sie was zu tun haben, besser, mit der Theologie. Auf  Deutsch, sie will wissen, wo Gott wohnt (heute wissen wir: in Rankweil, weil die Leute immer sagen: der lebt wie Gott in Rankweil, aber so weit waren wir damals noch nicht).

Jetzt ist natürlich eines klar: Theologin wirst du nicht, wenn du daheim herum-sitzt und wartest, bis das Betthupferl kommt im Fernsehen. Deswegen ist die Re-gina hinunter durch die Leopoldstraße und die Theresienstraße bis zu den Jesui-ten, die betreiben nämlich die theologische Fakultät, da waren damals berühmte Leute wie der Karl Rahner. Das ist der Regina aber noch zu wenig, sie geht auch auf den Innrain hinaus und inskribiert Germanistik – was das ist, fragst du? Das hab ich gern. Mitten in Europa hocken und nicht wissen, was Germanistik ist. Aber von den Römern hast du schon einmal gehört. Und die Germanen waren die Feinde von den Römern, so wie die Indianer von den Cowboys. Und das lehrt die Germanistik, hast mich?

 

Wenn die StudentInnen fleißig sind, dürfen sie einmal im Jahr auf den Uni-Ball gehen und tanzen und lustig sein. Und die Regina war auch dort. Und die Vor-arlberger Studenten waren auch dort. Mehr brauch ich euch nicht zu sagen. Aber hallo!

 

Und jetzt kommt’s! Für die jüngeren Zuhörerlein muss ich nun etwas erklären … es ist nämlich so: es gibt Blumen und Schmetterlinge, die kennt ihr ja. Gut.

Die Blumen sind aber angewachsen und können nicht weg, deswegen fliegen die Schmetterlinge herum und bringen den Blumen Honig. Und die Blumen essen viel Honig und werden groß und stark. Und wenn sie dann so groß und stark sind, dass sie’s vor Kraft nicht mehr aushalten, dann kommen die Kinder auf die Welt. So, jetzt wisst ihr das auch.

Und bei der Regina und dem Sighard kam zuerst Jakobus der Ältere und am nächsten Tag Ida die Jüngere. Da war die Regina natürlich nicht mehr in Wilten, sondern schon längst in Mieders, da hatten sie sich nämlich ein Haus ge-baut. Vorher haben sie natürlich geheiratet, das steht auch in der Miederer Nationalbib-liothek. Wenn du nämlich zuerst ein Haus baust und nachher heiratest, da hast du zum Heiraten dann kein Geld mehr, frage nicht! Und da können sie dann bei der Hochzeit Kartoffelsuppe essen, mein lieber Schwan.

 

Das Haus haben sie natürlich erst gebaut, wie sie schon Geld verdient haben. Der Sighard hat nämlich nach dem Uni-Ball weiterstudiert und wurde ein berühmter Lungenspezialist, man kann auch sagen, Pneumatiker. Die Regina aber – ja, was glaubt ihr, die ging einmal – nur so neugiershalber – in ein Haus in Wilten, und da saß einer, der hieß Dir.Auer, und der sagte, sie soll gleich dableiben, weil bei ihm ist es lustig, und der Benno kam aus dem Keller und sagte auch, sie soll da-bleiben, weil sonst haltet er es nicht mehr aus, wenn sie weggeht, und weil es alle sagten, ist sie geblieben.

Und während der Sighard mit dem Rennrad durch die Alpen düste, dass es nur so staubte, arbeitete die Regina von früh bis spät und manchmal sogar Tag und Nacht, dem Dir.Auer wurde es ganz unheimlich, und er ließ sich zum Hofrat er-nennen und verschwand.

 

Die Regina aber machte Leadership und Personalvertretung und die Homepage, dann hat sie ein ganzes Theaterstück inszeniert und noch eines, bis Bregenz sind sie gefahren, die Klasse und sie, nach Berlin auch, da schaut ihr. Zum Kochen ist sie gar nicht mehr gekommen, aber sie ist zum Essen ins Integrationshaus gegan-gen, und nachher ins Theater. Sie war den ganzen Tag unterwegs, sie hat alle drei Wochen neue Schuhe gebraucht. Manchmal hat sie der Jakob in die Schule ge-fahren, der hat nämlich auch angefangen, Medizin zu studieren. Ich weiß aber nicht, ob er’s auch mit der Lunge hat.

Dann hat die Regina noch was entdeckt: QIBB. Jetzt wollt ihr wissen, was das ist, weil: es könnte ja allerhand heißen. Heute, bei dem Wahnsinn mit den Abkür-zungen, da wirst du bald verrückt. Es kann also heißen: Quantum idem bibit Ben-no, das ist aber blöd. Es könnte genauso bedeuten: Quallen in Butterbohnen, das wäre schon besser, vor allem, weil die Regina ja eine Superköchin ist – wenn ich ins Stubaital wandere, schau ich immer, dass ich in der Nähe von Mieders einen Schwächeanfall oder Unterzucker bekomm, weil dann geh ich mit letzter Kraft hinauf zum Fernerweg und krieg Nektarinenkuchen.

Was heißt jetzt das QIBB? Es hat natürlich mit der Qualitätssicherung zu tun, da hättet ihr auch draufkommen können. Aber alles muss man euch sagen.

 

Während der Nektarinenkuchen im Rohr ist, macht die Regina mit der linken Hand zwei Pappmachépuppen für das Theaterstück, mit der rechten strickt sie ei-nen Badeanzug oder einen Überzug für das Rennrad, wer weiß. Es ist schon un-heimlich. Dabei sind jetzt erst einmal 50 Jahre um. Wie soll das weitergehen?

 

DRITTES CAPITULUM & FINALE

 

Sechsunddreißig Stunden, wenn er hätte, der Tag, wüsste die Regina ihn immer noch auszufüllen, und käme an kein Ende. Aber meine Rede muss an ein Ende kommen, obwohl -  das muss ich noch erzählen: im Archiv von der Nationalbibli-othek Mieders liegt doch glatt unten in einer Schachtel eine Liste, und ich denke mir: was ist das für eine Liste? Weil, eine Liste schreibst du ja nicht einfach so, da hat sich ja wer was dabei gedacht. Und ich denke mir, schaust du halt einmal nach, was das für eine Liste sein könnte. Und ich schau nach. Und jetzt seh ich es euch schon an: ihr wollt auch wissen, was das für eine Liste war. Na klar. Ich hab sie abgeschrieben – und hier ist sie: sämtliche Titel, Auszeichnungen, Gratifika-tionen & Honorabilitationen, die die Regina im Laufe ihres Wirkens & Wesens bekommen hat.  

Jetzt passt einmal auf:

 

·         Mitglied im Ehrenkomitee von Yad Vashem

·        Ehrenpräsidentin des Vereins für israelische Literatur mo’adon sefarim „Ben Gurion“ in Ashdod

·        Ehrendiplom für mittelhochdeutsche Kinderliteratur

·        Trägerin des Grossmann-Hensel-Ehrenringes für Schul-u.Jugend-theater

·        Großer Preis im 24-Stunden-Rennen um einen Platz im Konferenzzimmer

·         Shopping-Stern der Textilindustrie

am Goldenen Band

·         Goldener Kochlöffel des Verbandes österreichischer FeinschmeckerIn-nen

 

·         Ida-Jakob-Sighard-Preis für Famili-enmanagement

·         Großes Ehrenzeichen der Fa. face-book „Online On Demand“

·         Ehrenmitglied auf Lebenszeit der Klasse 5B

·         Member Of The British Empire (verliehen für exzessive London-Visiten)

·         Leiterin der größten Privatsammlung zeitgenössischer Kunst in Mieders

 

2016: Verleihung des nur alle 50 Jahre vergebenen Titels BEREAZ durch das hier vollzählig anwesende

Preiskomitee.

   

   

 

 

 

Item thun wir kundt & zue wissen,

deszglaichen geben wir das edictum,

dass hochwolgeborne Frouw Regina

zue Miederz & Ynspruck

gefürstete Gräfin von Tyrol & Crain

Contessa di Gorizia et Lientz

Vojvodin von Siebenpürgen & Walachey

Freiin zue Gratz & Clagenfurth

etc.etc.

den excellenten und singulaeren Titulum

 

Bereaz

so haiszet Beste Regina Aller Zaiten

zu führen und in Schrifften, Wappen & Emblemen und sonstigen Schiltten zu tragen befuget ist.

 

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