Reden 2

HR Dir. Dr. Werner Auer zum 60er

(2002)

 

FAUST

 

 

 

 

STIMME aus dem Nebenraum

FAUST

 

 

 

ERDGEIST

 

 

 

 

FAUST

ERDGEIST

 

FAUST

 

ERDGEIST

 

 

 

 

FAUST

ERDGEIST

 

FAUST

 

 

ERDGEIST

 

 

ALFRED

 

 

ERDGEIST

 

FAUST

 

ERDGEIST

 

 

 

 

WAGNER

 

 

 

 

 

 

 

 

PUDEL

 

FAUST

 

PUDEL

FAUST

 

ERDGEIST

 

MEPHISTO

 

ERDGEIST

 

FAUST

 

MEPHISTO

 

ERDGEIST

 

FAUST

 

ERDGEIST

 

FAUST

MEPHISTO

 

 

 

1.STUDENT

 

2.STUDENT

 

MEPHISTO

 

FAUST

 

MEPHISTO

 

FAUST

 

MEPHISTO

 

3.STUDENT

 

 

 

 

 

 

FAUST

 

 

 

MEPHISTO

 

 

 

 

MEERKATZE

 

 

HEXE

 

 

 

 

 

MEPHISTO

 

HEXE

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

FAUST

 

MEPHISTO

 

 

 

 

FAUST

 

 

MARGARETE

 

 

FAUST

 

 

 

 

MARGARETE

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

FAUST

TH. BERNHARD

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

BERNHARD

 

ERDGEIST

 

 

 

 

 

VORHANG

 

VORHANG

 

MEPHISTO

 

 

 

 

 

 

FAUST

1.Akt

 

 

sitzt in seiner altdeutsch möblierten Studierstube neben dem Konferenzzimmer und starrt auf den von Filigranschnitzwerk umrahmten Bildschirm seines spätgotischen Computers ("Gutenberg 1498")

Hab nun, ach, Philosophie, Juristerei und Medizin und leider auch ... allerdings, warum eigentlich nicht? ... andrerseits, wenn man's genau betrachtet ... durchaus mit heißem Bemühn, als wie zuvor -

 

Wie zuvor! Wie! ... nicht: als wie!

 

...ach, ich bin schon ganz konfus ... wo steht denn mein Orangenjuice? - Und überhaupt: der Dr. Luther: die Rechtschreibung reformieren tut er - was hilft er mir da, der Computer? Ich seh, dass wir nichts wissen können - (spuckt den Juice aus) - der will mir schier den Hals verbrennen!

 

erscheint auf dem Monitor in der Gestalt des Dir. Auer, umgeben von Gämsen, Stofffetzen, Krepppapier, Delfinen und Dämmmaterial. Er sitzt auf einem Thron mit H und trägt einen gräulichen Mantel aus rauem Walrosssatin

Du hast mich mächtig angezogen, mir fast die Tastatur verbogen!

 

Weh, ich vertrag dich nicht!

Wie wagst du es, zu mir zu sprechen, du, der du Wurm nur unter deinesgleichen und in der S-Schreibung dermaßen schwach, dass es zum Weinen ist!

Nicht Dich meint' ich, erhabner Geist, sondern den elenden Essig von einem Orangensaft!

 

Nun gut, so will ich fürder dir nicht zürnen, in Zukunft kauf die lieber Saft von Bürnen - meinetwe-gen auch von Öpfeln oder Kürschen... doch wollt' ich dir von Wesentlich'rem sprechen: entdecken will ich dir den Schein, der in den Tiefen west, dem Ewig-Unbekannten anverwandt, stets wieder-kehrend, ab sich wendend, selbst Widerhall nur eigner Unnatur und seines kräftelosen Waltens wohl bewusst, im Nichts vernichtend, was dem Sein anwest.

Hä?

Nichts verstanden? Auch mir, gesteh ich's, blieb der Sinn verschlossen... Es klingt verdammt nach Heidegger.

Doch sage, großer Geist, sei's mir verstattet, gewähre mir ein winzig Teil nur deines Lichts, zu unter-scheiden, was ist Etwas und was Nichts, was neu, was alt, was richtig und was falsch!

 

Gut, reden wir von der Rechtschreibreform. Er zieht aus dem Mantel etliche Disketten und CDs und beamt deren Inhalt auf die Täfelung von Fausts Stube. In diesem Moment blickt ALFRED, der Hausverweser, zur Tür herein.

Tut das der Täfelung wohl nichts?   Er überzeugt sich, dass nichts Schlimmes geschieht und geht nach hinten ab, gefolgt von einer unheimlichen Katze.

 

Weist auf das Bild an der Wand:  Seht dies Exempel, von Meister Menopélis kostbar illustriert!

 

Jaja, nicht übel für den Tunichtgut. Doch weihe mich nun, edler Geist, zu deinem Jünger, ich weiß, der Schweiß vor dem Erfolg ist kein gerünger!

Faust und Erdgeist vertiefen sich in die Skripten. Die Morgendämmerung erscheint vor den Fenstern in Gestalt des letzten Nightliners. 

 

2.Akt

 

tritt in Gestalt des Peter Flöry in die Studierstube:  Zwar weiß ich viel, doch möchte ich alles wissen! sieht FAUST und ERDGEIST eine Zeitlang zu, macht sich dann mit beschwörenden Gesten und unter Gemurmel von Zaubersprüchen am Computer zu schaffen

Vom Virus befreit sind Datei und Diskette

durch des Famulus milden, belebenden Blick.

Am liebsten ich nun eine Pizza hätte,

drum zieh ich mich in den Chemiesaal zurück.  (geht, unterwegs eine Homepage entwerfend, ab; in der Tür erscheint ein schwarzer Pudel, der die Züge Günther B.Radlherrs trägt)

 

Wuffwuff!

 

Ein guter Gast ist keine Last. Willkommen, seltsamer Wanderer!

 

verwandelt sich in Mephistopheles

für sich:  Das also war des Perdels Kuhn ... ihr wisst schon, was ich meine...

 

Der Mensch macht mich noch wahnsinnig! Kein einziges Zitat hat er bis jetzt noch richtig dahergebracht - was heißt da Faust-! Das ist nicht einmal ein Fäustling!

Ich bin der Geist, der stets bejaht, weil ich weiß, dass jedes Ding sechs Saiten hat.

 

Der ist auch nicht viel besser...!

 

Wäre es nicht Zeit für einen kleinen Osterspaziergang?   (vor dem Fenster hört man die Dampfpfeife der nahegelegenen Meistersingermanufaktur)

Dampf, Dampf ist alles Gebilde von Menschenmampf!

 

Es ist zum Aus-der-Haut-fahren!

 

Schreibt man das jetzt groß und getrennt oder klein und zusammen?

 

Da unterrichte ja lieber noch Deutsch in Lustenau!

 

Wer kommt mit in Auerbachs Keller?

Ich bin dabei!

 

3.AktAuerbachs Keller - ein frühromantisches Gewölbe im Wiener Tarockstil. An etlichen Tischen sitzen als Südtiroler erkenntliche Studenten und trinken Edelvernatsch

Ginschtig - ginschtig!

 

Sell woll!

 

Wo Südtiroler sitzen, kehr ruhig ein, böse Menschen trinken kein' Lagrein.

 

Wohl gesprochen, Herr Vetter - doch sagt, wie wird zum Osterfest das Wetter?

 

Tief liegt die Sturmfront über Engeland...

 

Also Gardasee ade!  Faust und Mephisto setzen sich an einen Tisch. Einige der Zecher beginnen, den "Anton aus Tirol" anzustimmen

Da möchte es schier dem Teufel selber grausen...

 

Ein garstig Lied, weh! Ein politisch Lied!

 

4.Akt

Hexenküche. Wie Konferenzzimmer, ein unübersehbarer Wust von Büchern, Heften, Dias, Mandalas, Man-delas, Kassetten, Disketten, Tabletten, Limetten, Motetten, Kadetten und Nofretetten. Über den Kaffeekes-sel gebeugt eine Meerkatze, die ausnahmsweise niemandem ähnlich sieht und umrührt

 

Mir widersteht das tolle Zauberwesen...

versprichst du mir, soll ich davon genesen

in diesem Wust von Lehrerei?

 

Mein Freund, es ist wohl einerlei,

wo uns ein Durch einander sich gestaltet,

s'ist alles nur ein Spiegelbild der Welt,

wie sie von Brüssel und von Wien verwaltet.

 

Rührt immer wilder in dem Kaffeekessel, wirft geheimnisvolle Zuckerkristalle hinein, worauf eine riesige  Dampfwolke emporfaaucht. Miot entsetzlichem Geschrei fährt die Hexe herunter. Sie sieht auch nieman-dem ähnlich, höchstens mit viel Phantasie einer Juristin

Verfluchte Tat!

Ist das Spinat?

Was ist das hier?

Ein Elixier?

Sie brodelt wild im Kaffee herum und spritzt alles voll

 

zieht den Stecker heraus, das Brodeln hört auf

 

Du musst verstehn:

aus eins mach zehn

und zwei lass gehn

und 3 hoch x mal c²

durch Wurzel 4 ---s'ist doch Spinat!

2 durch 0 ist eine böse Zahl

und fertig ist das Integral

so sagt die Hex

und sieben mal sechs

ist selten keins:

das ist das Hexeneinmaleins.

 

Mich dünkt, die Alte spricht im Fieber...

 

Wart nur - mit Dienstschluss ist's vorüber...

 

5. Akt

Straße. Faust und Margarete vorübergehend. Sie hat gewisse Züge von Christa Meixner.

 

Mein schönes Fräulein, darf ich's wagen

mein Arm und Geleit ihr anzutragen?

 

Zum Scherzen ist jetzt nicht der Augenblick;

doch sag - wie hältst du's mit der Musik?

 

Sie ist ein gar zu flüchtiges Gebilde,

nur um den Sinn zu reizen, in der Welt.

Dem Chronos einst entfloh'n in dem Gefilde,

das Zeit heißt, und das nichts für sich behält.

 

Ei was, Geschwätz,

Musik ist Gesetz,

Gesetz ist Musik

und Kreuz ist nicht Pik.

beide im 6/8-Takt nach hinten ab; an der Stadtmauer erscheint für einen Augenblick Vivaldi, der einem Hund gleicht und tatsächlich aussieht wie Waldi.

 

6.Akt

Faust, Margarete und Mephisto spazieren in einem Garten um einen Springbrunnen, der einer großen Ge-burtstagstorte zum Verwechseln ähnlich sieht - vermutlich ist er auch eine solche, denn es brennen Kerzen darauf.

 

Tandaradei, tandaradei ist alles Gebild aus der Konditorei.

tritt aus dem angrenzenden Kalkwerk:

Ich hasse Torten. Schon immer habe ich Torten gehasst, aber diese Torte hasse ich am allermeisten. In Gaspoltshofen hatte die Torte eine viel dickere Glasur, aber hier in Utzbach - Utzbach wie Putzbach - kaum eine Glasur! Wir wünschen uns nichts sehnlicher als eine Glasur, aber im nächsten Augenblick ver-abscheuen wir jegliche Glasur. Jede Glasur ist im Grunde eine Gemeinheit, ja die allerniederträchtigste Infamie, naturgemäß!

Im Hintergrund krabbelt Franz Kafka als Käfer vorüber und hält beim Gartentor inne, wo er mit dem Türhü-ter über die Verwandlung des Gartens in eine Strafkolonie verhandelt.

WAGNER tritt auf und beamt Geburtstagswünsche in allerneuester Rechtschreibung an die Gartenmauer.

Der ERDGEIST erscheint auf einem Thron mit H und verklärt sich zu einem leuchtenden Berg mit 60 Gip-feln.

schneidet mit einem Holzfällermesser die Torte in Stücke

Sie ist gerichtet!

nimmt ein Stück

Ist gerettet.

Er verteilt die anderen Stücke unter den Anwesenden.

Thomas BERNHARD zieht sich mit einem Teller Frittatensuppe in einen Ohrensessel im Hintergrund zurück und beginnt, sich halblaut mit einigen alten Meistern zu unterhalten.

 

fällt. Zwei Werklehrerinnen versuchen, ihn wieder zu montieren.

 

Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan!

 

bringt eine riesige Gitarre, die Mássimo Záccari ähnlich sieht, zum Vorschein und intoniert ein Geburts-tagslied in Zewa-Moll, worauf der VORHANG erneut fällt und die Weltformel von Stephen Hawking und Angelika Wunderer in der Übersetzung von Anni Pliessnig und Elisabeth Salcher enthüllt. In Goldglanz getaucht erscheinen Angelika Leiter und Karin Berger mit dem Hort der Nibelungen; sie wandeln durch eine Haymongasse, gebildet aus lauter Perlen, die abwechselnd Elke Haider, Astrid Habertitz, Susi Gei-ginger, Cornelia Pichler, Lisa Plunger und Nicola Wallner ähnlich sehen, indes Birgit Glettler und Barbara Felderer Kafkas Käfer klar zu machen versuchen, dass er womöglich bezüglich der Krabbelstube einem Missverständnis unterliege.

Das mittlerweile entstandene Durcheinander versuchen Eva Schuler und Sabine Hundegger mit großem Einsatz in ein Rollenspiel zu ordnen, geraten aber im Zuge dessen mit Sabine Loidold, Maria-Luise Prem und Roswitha Pittracher in eine didaktische Debatte, der Trude Renell einen gewissen Rhythmus zu geben sich bemüht, während Christiane Dietrich anmerkt, dass es eigentlich nur nötig sei, allen die richtigen Flö-tentöne beizubringen, wogegen jedoch Markus Schranz einige urheberrechtliche Bedenken einwendet.

 

Carola Thurner versucht, die Situation zu beschwichtigen: "Chi va piano, va sano, má lontano."  Der VOR-HANG bemüht sich nach Kräften, zu fallen, da er aber bereits seit längerer Zeit am Boden liegt, sind sei-nem  guten Willen gewisse Grenzen gesetzt. Entnervt schüttet Richard Malleier alles, was er im Chemie-Saal vorfindet, zum ultimativen SuperGAU zusammen, was allerdings Regina Rüscher missfällt, die meint, dass man eschatologisch nicht vorgreifen dürfe, zumindest, solange ihr Haus in Mieders noch nicht fertig sei.

Nun aber ereignet sich die große Katharsis:

Mit einem Wink seiner Hand verwandelt der ERDGEIST den zerwutzelten Vorhang in ein transparentes Leitbild, das gewisse Züge von Larissa Hackl nicht verleugnen kann, und siehe: es formt sich das Chaos zur lichten Gestalt, und  in eGlanz und Glorie überschüttet Ministerin Gehrer die Szene mit Werteinheiten...

Anstelle des nunmehr verwandelten Vorhangs bricht ein Sessel aus dem Musikraum zusammen, Frau Marosch pickt allen, derer sie habhaft werden kann, irgendeine Inventarnummer auf die Stirn, worauf die Bepickten geschlossen zum dekadischen System konvertieren und die Katze des Hausverwesers sich freiwillig beim "Mandarin" zum Küchendienst meldet. Aus einer Föhnwolke aber formt sich das Antlitz von Altvater Goethe, und, milde lächelnd, erklärt er die Haspingerstraße zum Weltkulturerbe und spendiert für das Konferenzzimmer einen west-östlichen Diwan.